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Großdemonstration macht mobil gegen Atomkraft

 

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Kiel/Berlin - Der Protest wird immer lauter: Am kommenden Samstag rollen Sonderzüge und Buskolonnen aus dem ganzen Bundesgebiet zu einer Großdemo nach Norddeutschland. Die Aktion wendet sich gegen die bis zu 28 Jahre längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke sowie gegen den nicht entsorgten Atommüll.

Auch die ehemaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) sind dabei. Sie wollen sich einreihen in eine 120 Kilometer lange Menschenkette, die durch Hamburg führt und die nach mehreren Pannen seit Sommer 2007 fast durchgehend abgeschalteten Atommeiler Brunsbüttel und Krümmel in Schleswig-Holstein verbindet.

25.000 Demonstranten erwartet

Die Chancen stehen gut, denn die vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erwarteten 25 000 Demonstranten könnten die Reihen schließen. Weitere Aktionen sind am Atomkraftwerk Biblis in Hessen und am Zwischenlager für Atommüll im westfälischen Ahaus geplant. Und das alles zwei Tage vor dem Jahrestag der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl von 1986 und zwei Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.

Gab es bereits kürzlich kleinere Aktionen auch am baden- württembergischen Atomkraftwerk-Standort Neckarwestheim und in Berlin mit einer Mini-Menschenkette auf Probe, erinnert die jetzige "KettenreAktion" schon an Zeiten der früheren Bürgerbewegung und außerparlamentarischen Opposition vor 30 bis 40 Jahren.

Die Hälfte der Bevölkerung lehnt Atomkraft ab

Sie könnte, wenn sie sich verfestigt, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrer schwarz-gelben Koalition noch manche Überraschung bereiten - zumal die eindeutige Ablehnung der Atomkraft bei gut der Hälfte der Bevölkerung in Umfragen seit langem stabil ist.

Der NRW-Wahlkämpfer und CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers dürfte gewusst haben, weshalb er im Nicht-Atomstrom-, aber Kohleland Nordrhein-Westfalen eher auf erneuerbare Energien setzte, als Kernenergie zu propagieren. Dagegen hatte Merkel auf die Hardliner ihrer Wirtschaftspolitiker und CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder gehört und weniger auf ihren Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). Dieser hatte acht Jahre längere Laufzeit aus Koalitionsvertrag und Marktbewertungen abgeleitet, während nun auch bis zu 28 Jahre und ein Atomausstieg in Modellen erst auf das Jahr 2050 gerechnet werden.

 

 

Längere Laufzeiten blockieren Erneuerbare Energien

Dieser krasse Schwenk hat nicht nur Atomkraftgegner, sondern auch die inzwischen "erwachsen" gewordene Branche der erneuerbaren Energien auf die Palme gebracht, die jetzt die Bürgerbewegung zum Protest ermuntert. "Längere Laufzeiten für Kernkraftwerke blockieren den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland", monierte der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), Dietmar Schütz.

Milliarden-Investitionen wären für die nächsten 10 Jahre gefährdet, die der deutsche Mittelstand im Bereich der Erneuerbaren auf der Hannover-Messe gerade erst bekräftigt habe. Dabei will die Branche die Hälfte des Stroms 2020 schon allein liefern. Auch die Stadtwerke haben im Wettbewerbsstreit inzwischen massiv gegen die großen Energiekonzerne Front gemacht.

Energiekonzept der Regierung lässt auf sich warten

Merkel bläst der energiepolitische Wind entgegen. So kommt auch das ehrgeizige Energiegesamtkonzept zumindest bis zur Wahl am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen nicht recht voran. Zu diesem Plan gehört auch die heikle Frage der Atommüll-Entsorgung. Schwarz-Gelb will deshalb den Salzstock Gorleben nach 10 Jahren Stillstand weitererkunden lassen. Wohl auch, um wie früher einen förmlichen Nachweis in der Tasche zu haben, dass der durch den Atomkraftwerke-Weiterbetrieb erzeugte zusätzliche Müll später mal in ein Endlager gekippt werden kann.

Bei der Opposition und der Anti-Atom-Bewegung gilt Gorleben inzwischen als "politisch verbrannt". Auch das bringe die Bürger jetzt auf die Straße. "Nicht nur die Politik, auch die großen Energieunternehmen in Deutschland werden danach nicht weitermachen können wie bisher", sagt BUND-Chef Hubert Weiger.

Quelle: dpa; 23. 04. 2010