TEIL 1.
Die Wende
Ein Gespräch mit Frau Sabine Ylönen |
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Wortschatz |
Neben mir sitzt Frau Sabine Ylönen, die so freundlich war
mit uns über das Thema Wende zu sprechen. Sie leben seit 1980
in Finnland.
1. Wo kommen Sie ursprünglich her?
Aus Leipzig.
2. Also von der östlichen Seite der Mauer?
Na ja, eigentlich von der südlichen Seite der Mauer, aber
aus dem östlichen Teil Deutschlands, also aus der DDR.
3. Wie war es möglich, dass sie nach Finnland gezogen sind?
Ich habe noch während meines Studiums in der DDR einen
Finnen geheiratet, der damals in der DDR mit mir studierte.
4.Als die Mauer letzendlich dann am 9.11.1989 aufgemacht wurde,
waren Sie an dem
Zeitpunkt in Finnland?
Ja.
5. Woher haben Sie als erstes über den Fall der Mauer gehört?
Daran kann ich mich so genau nich mehr erinnern, aber wahrscheinlich
aus dem Fernsehen. Man hatte ja die ganze Zeit schon intensivst
die Medien verfolgt, also z. B. die Montagsdemonstrationen, die
sich von der sogenannten „Heldenstadt“ Leipzig, wie
sie damals genannt wurde, auch in andere Städte ausbreiteten.
Die Massenflucht in den Westen – die rapide steigenden
Flüchtlingszahlen, besonders über Ungarn, wurden zuletzt
sogar in Stundengeschwindigkeit gezählt. Gorbatschows Besuch
zum 40. Jahrestag der DDR und seine Worte „Wer zu spät
kommt, den bestraft das Leben“, die von den DDR-lern als Versicherung
verstanden wurden, dass es diesmal nicht zum Einsatz sowjetischer
Panzer kommen würde.
Und schließlich Honeckers erzwungener Rücktritt
und der verzweifelte Versuch, durch die „Witzfigur“
Egon Krenz das alte System retten zu können.
Und dann eben letztendlich die alle überraschenden Worte
Günter Schabowskis auf der Pressekonferenz des ZK am Abend
des 9. November 1989, dass Privatreisen ins Ausland ab sofort ohne
Anlass genehmigt werden.
6. Und als die Mauer fiel, wie haben sich Ihre Freunde und Verwandten
gefühlt?
Und Sie?
Das war unglaublich, man konnte es – trotz aller vorangegangenen
Anzeichen – nicht gleich fassen. Zwar hatte ich schon früher
gedacht, dass sich die DDR in dieser Form nicht halten können
wird, aber trotzdem hatte ich nicht gedacht, dass ich das jemals
noch erlebe. Es war eine wahnsinnig bewegende Zeit, es war unglaublich.
Und dieses Gefühl teilten mit Sicherheit alle meine Freunde
und Verwandten.
7. Was haben Ihre Freunde und Verwandten nach dem Mauerfall gemacht,
was Sie
z. B. gehört haben?
Naja, eine Freundin, die in Ostberlin wohnt, erzählte z.
B. dass sie gerade in der Badewanne saß, als ihr Freund kam
und sagte, sie solle sich sofort anziehen, die Mauer sei gefallen,
man könne in den Westen. Und die Freundin sagte daraufhin,
dass sie jetzt nirgendwohin geht. Und tatsächlich gab es ja
genügend Leute, die die Gelegenheit nutzten sich noch am selben
Abend als „Brüder und Schwestern“ im Westen feiern
zu lassen, in einer Euphorie, die offensichtlich sogar bis dahin
ging, dass man jede Selbstachtung vergaß, wenn man sich z.
B. spontan mit Kaffee, Schokolade oder Bananen beschenken ließ,
die aus Lkws verteilt wurden. Und es geschah eigentlich an dem Abend
dass, was schon in einem Witz kursierte seit dem die Mauer im Jahre
1961 gebaut worden war, nämlich: „Der Kommandeur der
Grenztruppen fragt einen Soldaten: - Angenommen die Mauer stürzt
ein, was machen Sie dann, Krause? – Na ich klettre auf den
nächstbesten Baum. – Wieso das denn? – Na denken
Sie ich will mich tottrampeln lassen?
Und vielleicht noch ein zweites Beispiel: In meiner Familie
hatte es gerade einen Todesfall gegeben. Meine Tante aus Leipzig
war beim Besuch ihrer Schwester in Frankfurt am Main noch zu DDR-Zeiten,
kurz vor der Grenzöffnung, gestorben und meine Cousine hatte
die Genehmigung bekommen, als Verwandte 1. Grades ihre verstorbene
Mutter abzuholen. Als auf einmal die Ausreise über jeden Grenzübergang
der DDR ohne Anlass möglich war, konnte jetzt die ganze Familie
meiner Cousine ihr mit dem Auto in den Westen folgen. Das wurde
natürlich als Sieg der Menschlichkeit empfunden.
8. Wie wurde über das für Deutschland sehr bedeutende
Ereignis in Finnland
berichtet?
Na, der Mauerfall, die Wende und die Vereinigung Deutschlands
waren natürlich Medienereignisse ersten Grades. Finnland hatte
schon vor dem 9. November ausführlich über die Ereignisse,
also die Massenflucht, die Gerüchte um den Rücktritt Honeckers
usw., berichtet. Eine Potsdamer Jugendtouristgruppe, für die
ich im September 1989 in Jyväskylä gedolmetscht habe,
glaubte z. B. damals nicht, dass die im finnischen Fernsehen geäußerten
Vermutungen zum Rücktritt Honeckers wahr sein könnten,
als ich ihnen das erzählte. Aufgrund der aktuellen Berichterstattung
fieberte man jetzt mit den ostdeutschen Demonstranten, dass es nicht
zu solchen Ereignissen wie im Mai desselben Jahres in Peking kommen
würde, was, Dank Gorbi, auch wirklich nicht passiert ist.
9. Und was bedeutete der Mauerfall für Sie persönlich?
Und für das Volk?
Na, für mich persönlich bedeutete das vor allem, dass
mich meine Freunde und Verwandten jetzt auch in Finnland besuchen
konnten. Und für alle DDR-ler war vor allen Dingen die Reisefreiheit,
glaube ich, das wichtigste vorerst, später gab es dann auch
gravierende Veränderungen des gesamten Lebens, und zwar nicht
alle positiver Art.
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